Computermäuse und andere Zeigegeräte — Teil 2: Atomare Aktionen

Atomare Aktionen sind ein eigens entwickeltes Konzept zur Darstellung von Bedienhandlungen mit der Computermaus. Sie erlauben nicht nur den Vergleich unterschiedlicher Anwendungssoftware (in Bezug auf die Mausbedienung), sondern erleichtern auch den Test von Zeigegeräten.

Foto: Tafelbild
Abbildung 1: Das Konzept der „atomaren Aktionen“ ist so banal, dass es auf einem einzigen Tafelbild erklärt werden kann. Im Laufe dieses Artikels wird es aber etwas ausführlicher behandelt. (Zum Vergrößern auf das Bild klicken)

Im vorherigen Teil wurde die Frage aufgeworfen, wie einzelne mausbasierte Bedienoberflächen zu körperlichen Schäden führen können, während dies bei anderen nicht der Fall ist.

Bei näherer Betrachtung sind dies zwei Fragen:

  1. Wie kann man das Maus-Bedienkonzept unterschiedlicher Oberflächen objektiv vergleichen?
  2. Welcher Teil ist schädlich?

Spoiler-Warnung: Welcher Teil schädlich ist, werden wir im Rahmen dieser Artikelserie nicht erfahren. Die Wissenschaft scheint sich mit diesem Thema noch nicht befasst zu haben, wie eine (kurze) Literaturrecherche ergab, und meine eigenen Untersuchungen befassen sich vorwiegend mit der Frage des objektiven Vergleichs.

Atomare Aktion

Für den objektiven Vergleich unterschiedlicher mausbasierter Bedienoberflächen wurde das Konzept der „atomaren Aktionen“ entwickelt. Dessen Nutzen wird am Ende dieses Artikels (hoffentlich) deutlich.

Definition

„Eine ‚atomare Aktion‘ ist eine Maushandlung, die sich nicht unterbrechen lässt, ohne dass ein unerwünschtes Ergebnis eintritt. Atomare Aktionen lassen sich durch Aktionsdiagramme darstellen.“

Screenshot: Kopieren von Dateien
Abbildung 2: Klassisches Beispiel für eine atomare Aktion: drag & drop beim Kopieren von Dateien

Die wohl bekannteste atomare Aktion ist drag & drop, z.B. beim Verschieben von Dateien in einem Dateimanager. Sie lässt sich wie folgt beschreiben:

  1. Den Mauszeiger über dem gewünschten Bildschirmbereich positionieren
  2. Die linke Maustaste betätigen und halten
  3. Den Mauszeiger in einem Ziel-Bildschirmbereich bewegen.
  4. Die linke Maustaste loslassen

Die Punkte 1…3 dürfen nicht unterbrochen werden: Wird die linke Maustaste losgelassen, bevor der Ziel-Bildschirmbereich erreicht ist, wird die Datei nicht an den gewünschten Ort verschoben. Im Gegenteil: Vermutlich wird sie an einen unerwünschten Ort kopiert oder verschoben. Nicht selten ist die Bestrafung des Nutzers für den vorzeitigen Abbruch einer atomaren Aktion deutlich größer, als wenn sie erst gar nicht gestartet worden wäre.

Darstellung von atomaren Aktionen durch Aktionsdiagramme

Bild: Maus und Computermaus
Abbildung 3: Das Betätigen der linken Maustaste wird blau, das Betätigen der rechten Maustaste rot dargestellt.

Atomare Aktionen wie im vorherigen Abschnitt textlich darzustellen ist dröge, fehlerträchtig und es droht die Gefahr, sich in Details zu verlieren. Einfacher und übersichtlicher wird es mit den eigens entwickelten Aktionsdiagrammen.

Abbildung 3 zeigt das im folgenden verwendete Farbschema: Betätigungen der linken Maustaste werden blau, Betätigungen der rechten Maustaste rot dargestellt. Bewegungen auf dem Bildschirm, die keine Betätigung einer Maustaste erfordern, werden grün dargestellt.

Bildschirmbereiche, innerhalb derer eine bestimmte Betätigung erforderlich ist, werden schwarz gestrichelt dargestellt.

Bild: Maus und Computermaus
Abbildung 4: Das Aktionsdiagramm der atomaren Aktion „drag & drop“ (oben) wird anschaulich, wenn man sich die zugehörige Seitenansicht (unten) vorstellt.

Wird die oben aufgezählte atomare Aktion drag & drop als Aktionsdiagramm dargestellt, ergibt sich Abbildung 4:

  1. Bevor die Aktion gestartet werden kann, muss der Mauszeiger in einem bestimmten Bereich des Bildschirms positioniert werden.
  2. Die linke Maustaste wird niedergedrückt (durch ein Kreuz markiert) und gehalten.
  3. Der Weg zwischen dem Bildschirmbereich, in dem die Maustaste gedrückt wurde, und dem Bereich, in dem sie wieder losgelassen werden darf, kann frei gewählt werden. Allerdings muss vor dem Loslassen ebendieser Bildbereich erreicht werden.
  4. Die Maustaste darf endlich losgelassen werden (blaue Pfeilspitze). Die atomare Aktion ist beendet.

Neben dem offensichtlichen Nutzen — einen langen, unübersichtlichen Text durch einige wenige Striche zu ersetzen — bieten die Aktionsdiagramme noch einen weiteren: Die Größe der „erlaubten Bereiche“ kann gleichzeitig dargestellt werden und bietet eine sehr eindringliche Darstellung der erforderlichen Positioniergenauigkeit des Mauszeigers. Für die Diskussion einer konkreten Nutzeroberfläche sind sie sehr schnell in einen screenshot eingezeichnet.

Nutzen der atomaren Aktionen

Foto: Viele Mäuse
Abbildung 5: Man könnte ja ein einfach jede Maus mit jedem Programm testen, doch das klingt nur auf dem ersten Blick nach einer guten Idee. (Zum Vergrößern auf das Bild klicken)

Das Identifizieren atomarer Aktionen wie z.B. drag & drop und ihre Darstellung als Aktionsdiagramme ist kein Selbstzweck, sondern ein Hilfsmittel. Ziel dieser Untersuchungen ist es immer noch, die Suche nach dem optimalen Zeigegerät für den eigenen Anwendungsfall zu erleichtern.

Zähle ich in meiner eigenen Desktop-Umgebung die Anzahl der Anwendungsprogramme mit Mausbedienung, die ich häufig länger als zwei Stunden am Stück benutze, komme ich auf grob dreißig.

Insgesamt habe ich (ursprünglich) 18 Zeigegeräte getestet.

Will ich dreißig Anwendungsprogramme mit jeweils 18 Zeigegeräten jeweils (nur) zwei Stunden testen, dauert dies nicht nur einige Wochen — die Tests lassen sich auch kaum in den normalen Arbeitsalltag integrieren. Kann ich dagegen die Bedienhandlungen, die besonders anstrengend/kritisch sind, schon im Vorhinein identifizieren, können auch die Zeigegeräte sehr gezielt getestet werden.

Nicht jeder hat Lust, aus der Suche nach einer neuen Computermaus eine Wissenschaft zu machen. Deswegen werden im nächsten Teil dieser Artikelreihe die gängigsten atomaren Aktionen und die Anwendungsprogramme, in denen sie häufig vorkommen, mundfertig aufbereitet dargestellt.

Weiter zu Teil 3: Übersicht über Aktionen und Software


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